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AutorenbildSonja Tanzer

Der Hohe Frauentag

Aktualisiert: 29. Sept. 2022

Dieser besondere Tag mit seinem reichen Brauchtum ist in Europa ziemlich bekannt, speziell in Österreich und auch im bayrischen Raum hat dieser Festtag noch eine große Bedeutung. Schon Tage vorher sind die Frauen ganz nervös. Manche sorgen sich sogar im Juni schon, weil die Ringelblumen blühen und man am Frauentag dann möglicherweise keine mehr in den Buschen binden kann. Viele Mythen und Geheimnisse ranken sich um diesen besonderen Tag. Alle sind sich einig: den Kräutersegen holt man sich am 15. August vom Pfarrer.


Aber ist das tatsächlich so?

Das kann man - wie fast alles - von mehreren Seiten betrachten. "Maria Himmelfahrt", wie der Hohe Frauentag auch genannt wird, wurde erst im 5. Jahrhundert eingeführt. Bischof Kyrill von Alexandrien waren die römischen Feierlichkeiten Mitte August ("feriae Augusti" - Kaiser Augustus feierte seinen Sieg über Cleopatra und Antonius; die Italiener feiern immer noch) ein arger Dorn im Auge und überlagerte sie einfach mit einem christlichen Feiertag. Maria musste in den Himmel aufgenommen werden und dies gehörte natürlich gebührlich gefeiert. Praktisch war, dass im August noch dazu eine magische Zeit begann - der Frauendreißiger - eine Zeit, in der die Kräuter eine besondere Heilkraft entwickeln. Flexibel wie die Menschen nun mal sind, haben sie sich den Feiertag auferlegen lassen und viele sammelten von nun an offiziell ab dem 15. August bis zum 8. September, den sogenannten "Kleinen Frauentag" - Maria Geburt.


Aus dem Kontext gerissen, weil...

...es eben nicht genau dieser 15. August ist, an dem die Frauen seit je her ihre gesammelten Kräuter gesegnet haben. Ja, sie haben sie SELBST gesegnet - sie hatten das Selbstverständnis, die Eigenverantwortung und das Wissen und diese Zutaten genügen, um den Segen über sich, die Familie, die Sippe und die entsprechend gesammelten und verwendeten Kräuter zu bringen.


Klingt irgendwie eigenartig, ungewohnt und doch schön und stimmig. Nicht wahr? Ich habe lange darüber nachgedacht und je mehr ich mich mit der Thematik befasste, desto eigenartiger und befremdlicher fühlte es sich an, meinen Kräuterbuschen in der Kirche weihen zu lassen. Von einem Mann, der in den allermeisten Fällen keinen Schimmer von Kräutern, geschweige denn von ihrer Wirkung hat. Der vermutlich eine Ringelblume für eine Sonnenblume hält, wenn ihm diese Begrifflichkeiten überhaupt geläufig sind.


So habe ich beschlossen, meine Kräuterbuschen - und zwar nicht nur den im August sondern alle - selbst zu weihen und mit meinem ganz persönlichen Segen zu belegen. Das fühlt sich nicht nur unbeschreiblich gut an, es gibt mir Kraft und zugleich gibt es den gesammelten Kräutern nochmals eine besondere Magie.


Meine Kräuter für den Buschen sammle ich nämlich wie folgt:

Nachdem ich im letzten Jahr beobachtet habe, was meine Familie alles an Kräutern so braucht, habe ich mir ab etwa Sonnwend darüber Gedanken gemacht, welche Kräuter ich für den Kräuterstrauß sammeln werde. Ich bin immer wieder zu den Stellen hin gegangen, wo meine "Auserwählten" wachsen und gedeihen. An den drei Tagen vor dem August-Vollmond habe ich sie nun in den frühen Morgenstunden gesammelt. Habe jeder Pflanze mitgeteilt, was mir in den Sinn kam, wofür ich sie brauche, was ich von ihr erbitte. Ich bin mit ihr in Zwiesprache gegangen. So habe ich 9 Kräuter gesegnet und am Vollmondtag gebunden. Auch das Binden ist ein besonderer Vorgang. Im Binden steckt viel Magie - dieses Thema bespreche ich gerne in einem anderen Blog. Nur so viel: ich habe 9 Knoten gebunden.


Anschließend habe ich den Strauß gesegnet - ihn nochmals besprochen und mit einem ganz besonderen Wasser geweiht.



Wie viele Kräuter? Welche Kräuter? Zu welchem Zweck?

Das sind die üblichen Fragen, die einem in den Sinn kommen, wenn man vom Kräuterwisch, Marienbuschen oder Würzbuschen spricht.


Die Zahl ist wichtig: überliefert sind 7 oder 9 oder ein jeweiliges Vielfaches davon (also 14, 21,...oder 18, 27,...). Es gibt Gegenden, da werden so viele Kräuter verarbeitet, dass Sträuße im Ausmaß von Wagenrädern zustande kommen. Das sieht wirklich wunderschön aus und gereicht den Binderinnen zur Ehre. Aber ob diese Kräuter auch genutzt werden oder nur der Optik dienen, könnte man hinterfragen. Wenn man sich mit Kräutern nicht so befassen mag und sich nicht so sehr auskennt, dann nimmt man gerne jene Kräuter, die "immer schon" in den Buschen kamen. Das wird oft nicht hinterfragt und heute ist es Mode, dass engagierte Mitglieder in den Kirchen kleine Sträußchen aus 3-4 Gartenkräuter binden und diese dann bei der Messe verschenken oder zu einem guten Zweck verkaufen. Geht natürlich auch.


Ich begnüge mich wie gesagt mit 9 Kräutern, die in diesem Jahr für uns bestimmt sind. Ich gebe auch nicht immer die Königskerze in die Mitte, weil es sich so gehört. Wenn sie mir dieses Jahr keine Hilfe anbieten kann, dann habe ich das zu akzeptieren und ich hole mir dafür ein anderes Kraut.



Dann kommen wir auch schon zu der Frage: Welche Kräuter? Wenn du es mal ausprobieren möchtest, dann kannst du so vorgehen, wie ich es seit Jahren mache. Wenn du weder Zeit noch genügend Kenntnisse hast, dann kannst du es so machen, wie die meisten. Je nach Region kommen verschiedene Pflanzen in den Buschen: viele nehmen für die Mitte eine Königskerze, es geht auch die Karde, manche nehmen eine Sonnenblume oder Angelika. Dann kann man oft nachlesen, dass Arnika hinein gebunden wird. Das ist aber nur in höher gelgenen Regionen möglich und im August ist Arnika meist auch schon verblüht. Du siehst, so einfach ist es gar nicht. Nun gut, dann eben Schafgarbe, Holunder, Spitzwegerich, Majoran, Ringelblume, Baldrian, Beinwell, Weidenröschen, Quendel, Rotklee, Goldrute, Fingerkraut, Hauswurz, Rose und so weiter. Der Fantasie sind wenig Grenzen gesetzt, lediglich der eigene Standort, die Sinnhaftigkeit und der Vegetationsrhythmus bilden den Rahmen.



Wofür mache ich mir jetzt diese Mühe? Die Frage ist leicht zu beantworten: für deine Familie und für dich selbst. Früher kamen noch Gesinde, Haus, Hof, Vieh dazu. Nachdem der Buschen gesegnet war, wurde er kopfüber an einem besonderen Ort aufgehängt. In den Bauernstuben geschah das im Herrgottswinkel, ich mach das über meinem Haustisch im Flur.

Dort hing er nun und harrte der Dinge die da kommen mögen. Er trocknete so vor sich hin, entfaltete seine Aromen und speicherte Heilkräfte. Bis die Zeit kam, an dem der Strauß gedrittelt wurde:

1 Teil für die Gesundheit der Familie, Gesinde und Vieh (zum Anlassfall einer Krankheit)

1 Teil für die Gesundheit des Viehs - die Kräuter wurden zu Mittwinter in das Heu gemischt und trugen zum allgemeinen Wohlbefinden und zur Vorbeugung gegen Krankheiten bei

1 Teil wurde zu Mittwinter in die Räuchermischung gegeben um Heil und Segen zu erbitten und Unheil ab zu wenden. Manchmal wurde von diesem Teil etwas aufbewahrt und im Sommer bei Gewittern verräuchert.




Sind denn nun die am 15. August geweihten Kräuter völlig nutzlos?

Aber nein! Wie wir nun wissen, gibt es dieses Fest seit etwa 1500 Jahren - es kam zwar die Kalenderreform dazwischen, aber im Großen und Ganzen kann man das doch schon so betrachten. Dieser sehr lange Zeitraum, in dem Menschen etwas feiern, etwas spezielles machen, ihre Kraft und ihren Glauben hineinlegen, macht etwas mit dem Energiefeld. Ich bin keine Energetikerin und kenne die Fachausdrücke nicht, aber ich denke, wenn du für dich entscheidest, weiterhin deine Kräuter am 15. August segnen zu lassen, dann mach das. Sie werden bis zu einem gewissen Grad wirken und helfen.


Lass dir Zeit und spüre in dich hinein - wie du weißt, hast du immer wieder die Möglichkeit, etwas zu verändern. Jedes Jahr wieder.



 

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