Die Weinraute ist ja so ziemlich in Vergessenheit geraten. Was sehr schade ist. Eine Einnahme hat mit größter Vorsicht und äußerster Achtsamkeit zu erfolgen und ist nur erfahrenen Kräutermenschen vorbehalten, aber immerhin duftet sie angenehm und sie gibt zumindest eine sehr brauchbare Vasen-Blume ab. Unter anderem verfügt Ruta graveolens - so wird sie von Lateinern genannt - als Wirkstoff das Flavonoid Rutin.
In der Volksmedizin wird die Wein- oder Gartenraute gmeinhin einfach Raute genannt. Sie war ein viel verwendetes Zauberkraut. So legte man es etwa einem Kind in die Wiege um es for dem "Gegicht" oder "Fraisel" zu schützen. Wenn ein Kind starb, legte man Raute mit ins Grab um es vor zu schnellem Verwesen zu schützen. Überhaupt schrieb man der Raute eine mächte Schutzeigenschaft zu - die Früchte weisen ein gleichschenkeliges Kreuz auf, das allgemein als Schutz vor und Abwehr von dem Bösen versprach. In Süditalien gab es noch im 19. Jahrhundert Rautenamulette gegen den "bösen Blick". Auch tauchte man einen Rautenzweig in Weihwasser und besprengte damit das Schlafzimmer, wenn man das Gefühl hatte, dass "böse Geister" das Ehewerk stören. Zum Teufelaustreiben wurde die Raute im Alpenraum in Kombination mit Salz und Wachs verwendet.
Aber nicht nur der Schutz den die Raute gewährte war viel gelobt. Sie wurde auch sonst vielseitig eingesetzt. Sie riecht etwas eigen und schmeckt leicht pfeffrig-scharf. So wurde sie im Mittelalter dazu verwendet, den qualitativ wenig ansprechenden Wein ein wenig aufzumotzen. Nebenbei wurde nicht nur der Geschmack verbessert, sondern auch die Verdauungssäfte wurden angeregt. Das enthaltene Rutin soll Bindegewebs- und Gefäßstärkend wirken - dafür nahm man ein Bad. Heute kennt man noch den Ruta de Grappa (Rautenschnaps). Hierfür wurde ein Zweig Raute in einen Liter guten Schnaps eingelegt. Der Schnaps stärkt Verdauung und Herz, aber er soll auch als Verhütungsmittel eingesetzt worden sein.
Da sind wir auch schon beim springenden Punkt: Die Raute löst die Regelblutung aus, wenn eine Frau sehr schwer oder unregelmäßig ihre Mens bekam, trank sie Rautentee. Auch wenn der Wechsel zu früh einsetzte nahm man die Hilfe der Raute in Anspruch. Nach einer Geburt reinigte man mit dem Tee die Gebärmutter, sogar der Eisprung konnte damit verschoben werden. Im Mittelalter wurde die Raute als Abortivum eingesetzt - viele Frauen starben daran, da die Dosierung extremst genau und mit viel Erfahrung erfolgen musste. Im Botanischen Garten in Paris mussten zeitweise die Rautenbeete eingezäunt werden, um zu verhindern, dass die Pflanzen ausgerissen wurden. Der Grat zwischen Abtreibung und dem Tod der Frau ist sehr, sehr schmal. Es ist absolut ab zu raten, die Raute in dieser Hinsicht zu verwenden. Schwangere dürfen dieses Kraut in keiner Form zu sich nehmen.
Den Frauen war es lange Zeit verboten, das Kraut auf irgendeine Art und Weise ein zu nehmen, da sie "unkeusche Begier" auslöse. Im Französischen wird die Raute auch heute noch als "Kraut der schönen Mädchen" bezeichnet. Auf der anderen Seite empfahl Hyronimus Bock es jedoch den Mannsleuten, weil es bei ihnen die umgekehrte Wirkung zeigte. ("Ordens- und Closterleut sollten es in speiß und drank zu sich nehmen"). Das haben auch die Berberfrauen in Nordafrika gewusst und mischten es ihren Männern in den Tee, wenn sie ihre Ruhe haben wollten.
Bereits im Altertum war die Raute als sicheres Mittel gegen Pest und ähnliche Krankheiten bekannt. Sie wurde als Gegenmittel bei Vergiftungen durch Schlangengift eingesetzt und ist Bestandteil des berühmten "Vierräuberessigs". Wenn man ein kleines Büschel Raute in die Speisekammer hängt, hat man vor Ameisen und anderem Getier seine Ruhe. Im Hühnerstall hilft sie gegen Marder und wenn im Stall eine Krankheit ausbricht, soll man mit Raute räuchern.
VIERRÄUBERESSIG (eines der vielen Rezepte)
Gartenraute
Wermut
Rosmarin
Wacholderbeeren
Zimt
Knoblauch
Muskat
Gewürznelken
In gutem Essig ansetzen und 14 Tage ausziehen lassen.
Comments